Sieben Thesen aus der Kommunalpolitik zur Grund- und Daseinsversorgung für die Zeit nach der Corona-Pandemie.
Autor*innen: Simon Bull (Juso-Landesvorsitzender), Aylin Cerrah (Gemeindevertreterin und Kreistagsabgeordnete, Selent/ Plön), Niclas Dürbrook (Kreistagsabgeordneter, Malente/ Ostholstein), Tim Dürbrook (Kreistagsabgeordneter, Scharbeutz/Ostholstein), Marcello Hagedorn (Stadtverordneter, Elmshorn), Christina Schubert (Ratsfrau, Landeshauptstadt Kiel), Philip Schüller (Ratsherr, Landeshauptstadt Kiel), Lisa Vogel (Ratsfrau, Flensburg)
Das Dokument gibt es hier zum Download: Thesenpapier
Einleitung
Die Corona-Pandemie hat unsere Gesellschaft seit dem Frühjahr durchgeschüttelt. Dass Schleswig-Holstein bislang mit einem blauen Auge durch die Krise gekommen ist, ist nicht zuletzt der Verdienst der Kommunen. Von der kleinen, ehrenamtlich verwalteten Gemeinde bis zur Landeshauptstadt waren sie erste Anlaufstelle für die kleinen und größeren Probleme.
Die Einschränkungen der letzten Wochen haben viele Menschen getroffen. Besonders schwer haben es aber diejenigen, die bereits vor der Krise unter großem Druck standen, zum Beispiel durch Armut, Arbeitssituation oder Wohnumstände. Sie waren in der Pandemie die ersten, deren 450-Euro-Job gekündigt wurde, die als Alleinerziehende von den Kita- und Schulschließungen mit voller Wucht erwischt wurden oder für die #stayhome alles andere bedeutete als Entschleunigung in der geräumigen Altbauwohnung.
Die Pandemie hat an vielen Stellen Missstände unübersehbar werden lassen, die zu lange nicht angegangen wurden. Sie hat aber auch für den notgedrungenen Bruch mit alten Gewohnheiten gesorgt und ein Zeitfenster für überfällige Veränderungen geöffnet. Darum ist klar, dass ein schlichtes “Zurück zur Normalität” für die Zeit nach Corona nicht das Ziel sein kann. Die Pandemie ist eine Belastungsprobe für unsere Gesellschaft und zugleich mit Blick auf künftige Krisen, Herausforderungen und ungleich verteilte Belastungen ein nicht zu überhörender Warnschuss. Die letzten Wochen haben den Blick dafür geschärft, worauf eine Gesellschaft auch in der Krise auf keinen Fall verzichten kann: Eine starke öffentliche Grundversorgung.
Die Sozialdemokratie hat zu vielen drängenden Fragen der Zeit insbesondere in Schleswig-Holstein bereits zukunftsweisende Beschlüsse gefasst. Ziel unseres Papiers ist darum nicht, das Rad neu zu erfinden oder Detailkonzepte für alle denkbaren Probleme vorzulegen. Stattdessen wollen wir mit sieben Thesen und einigen provokanten Ideen aufzeigen, wo vor dem Hintergrund der Erfahrungen der letzten Wochen ein gesellschaftliches Umdenken stattfinden kann und muss.
1. Grund- und Daseinsversorgung gehört in öffentliche Hand.
Nicht nur dort, wo es unbedingt sein muss, sondern überall dort wo es möglich ist. Denn die letzten Wochen haben noch einmal gezeigt: Wenn es wirklich ernst wird müssen ohnehin Staat und Kommunen in die Bresche springen. Die großen Versprechungen der Privatisierungsbefürworter*innen mit Blick auf Kosteneinsparung, Effizienzgewinne oder der Übernahme von Sanierungskosten haben sich inzwischen flächendeckend als Luftnummern entpuppt.
Daraus folgt: Die Privatisierung von Daseinsvorsorge ist ein Irrweg, dem sich die Sozialdemokratie auf allen Ebenen konsequent entgegenstellen muss. Überall dort, wo in den vergangenen Jahrzehnten privatisiert wurde, muss eine Rekommunalisierung ernsthaft geprüft werden. Dank anhaltend niedriger Zinsen für öffentliche Verschuldung ist der Zeitpunkt günstig. Und die Praxis zeigt, dass Kommunen dadurch auch jenseits von Ausschreibungen echten Einfluss bekommen. Dies gilt zuvorderst für den öffentlichen Nahverkehr, Wasser- und Stromversorger, Krankenhäuser, aber auch Altenheime. Das kann nur gelingen, wenn das Land den Kommunen dabei finanziell unter die Arme greift. Denn viele Kommunen würden gerne wieder Verantwortung übernehmen, sind aber allein nicht in der Lage auf einen Schlag große Projekte zu stemmen.
Warum eigentlich nicht…?
… einen Landesfonds für Rekommunalisierungen einrichten, der Kommunen unter die Arme greift, um wieder selbst Verantwortung für ihre Daseinsvorsorge zu übernehmen.
2. Ein krisensicheres Gesundheitssystem darf im Normalbetrieb nicht auf Kante genäht sein.
In den letzten Jahrzehnten sind Krankenhäuser vor allem im Bereich der Akutversorgung unter enormen Kostendruck geraten. In vielen Köpfen hat sich die Vorstellung durchgesetzt, mit Krankenhäusern Gewinne erwirtschaften zu wollen. Vielerorts sind im Rahmen von Privatisierungen ehemals kommunaler Häuser Unternehmen mit hoher Renditeerwartung in den Markt eingestiegen. Diese Entwicklung ist für Patient*innen und Beschäftigte gleichermaßen gefährlich. Denn das System der Krankenhausfinanzierung ist nicht dafür ausgelegt, Rendite zu erwirtschaften. Kostensparender als öffentliche Betreiber sind private Akteure nicht durch überlegene Marktkenntnis oder kluge Strategien, sondern durch Lohndumping, gefährlich verdichteter Arbeitsbelastung oder Auslagerung von unverzichtbaren Dienstleistungen wie z.B. der Reinigung in Servicegesellschaften. Schon vor der Krise fehlte es in vielen Krankenhäusern an moderner Ausstattung oder an Personal. Corona zeigt: In einem System, das bereits im Normalbetrieb regelmäßig am Limit arbeitet, fehlen die Reserven für den Notfall. Aber gerade dann sind wir auf eine leistungsfähige Gesundheitsversorgung angewiesen.
Daraus folgt: Krankenhäuser müssen so aufgestellt sein, dass sie eine gute und sichere Versorgung garantieren. Ihre Aufgabe ist nicht, Gewinne zu erwirtschaften. Im Gegenteil: Für eine gute Personalausstattung und das notwendige Leistungsangebot bei öffentlichen Häusern wird die öffentliche Hand im Zweifel auch rote Zahlen in Kauf nehmen müssen.
Damit öffentliche Häuser im Wettbewerb mit privaten Betreibern eine ernsthafte Chance haben, setzt sich die SPD für eine Rekommunalisierung ehemals öffentlicher Häuser und für die Stärkung der öffentlichen Krankenhäuser ein.
Warum eigentlich nicht…?
… einen landesweiten Zusammenschluss der kommunalen Krankenhäuser auf den Weg bringen, der den Kommunen weiterhin die Entscheidung über die Versorgung vor Ort lässt, aber aus Einzelkämpfern einen starken Verbund macht. Und durch den gleichzeitig Know-How aufgebaut wird, um anderen Kommunen unter die Arme zu greifen, die über Rekommunalisierung von Krankenhäusern nachdenken.
3. Mobilität muss durch attraktive und umweltfreundliche Angebote gesichert sein und unnötiges Pendeln abgebaut werden.
In den letzten Jahren haben die Pendlerzahlen aus verschiedenen Gründen immer weiter zugenommen. Pendeln bedeutet gerade im ländlichen Schleswig-Holstein in den meisten Fällen mangels guter Alternativen die Nutzung des Autos. Immer vollere Straßen wurden lange Zeit als scheinbar alternativlos zur Kenntnis genommen. Dabei ist diese Form des Pendelns gesamtgesellschaftlich Irrsinn: Nicht nur aus Gründen des Klimaschutzes, sondern auch weil Studien die Gesundheitsgefahren für Pendler zeigen und die Belastungen durch Verkehr und Schadstoffe in Städten wie Kiel enorm sind.
Während des Lockdowns hat sich das Mobilitätsverhalten in kürzester Zeit enorm verändert: Der alltägliche Weg zur Arbeitsstelle, Ausbildungsbetrieb oder Schule fiel für einen Teil der Menschen weg. Gleichzeitig konnte man Veränderungen bei den genutzten Verkehrsmitteln sehen. Der Fahrradverkehr erlebte einen Aufschwung, die Nutzung von Bussen und Bahnen brach um bis zu 90 Prozent ein. Wer mit dem Auto unterwegs war profitierte von leeren Straßen und kam vielleicht zum ersten Mal in seinem Pendlerleben stau frei zur Arbeit. Und die verbliebenen Nutzer*innen von Bus und Bahn hatten für einige Wochen nicht nur ein komfortables Platzangebot, sondern – den wegfallenden Kontrollen geschuldet – in vielen Fällen wohl auch keine Kosten für das Ticket.
Statt daran anzuknüpfen, werden viele Kund*innen in Bus und Bahn zum Ende der Sommerpause mit höheren Fahrpreisen begrüßt werden, die in den Gremien der nah.sh mehrheitlich auf den Weg gebracht wurden. Die vielen neuen Radfahrer*innen treffen auf eine Realität, in der sie mangels guter Radwege und aufgrund fehlender Infrastruktur viel zu oft ausgebremst werden. Und auch die Autofahrt im Berufsverkehr ist so unattraktiv wie eh und je.
Daraus folgt: Die Verkehrswende der Corona-Zeit muss von Land und Kommunen aufgegriffen und gemeinsam als Ansatz genutzt werden, um die Straßen nachhaltig leerer zu machen. Denn davon profitieren alle: die Verkehrsteilnehmer*innen, die Gesundheit, das Klima und die Umwelt.
Es braucht endlich ein Gesamtkonzept für Schleswig-Holstein, das über Stadt-, Kreis- oder Gemeindegrenzen geplant wird sowohl im ÖPNV als auch für den Fahrradverkehr. Busse und Bahnen müssen vom Preis, dem Platzangebot, der Taktung und Anbindung viel attraktiver werden, damit sich der Umstieg vom Auto auch im realen Leben ohne großen Komforteinschnitt lohnt. Dazu gehört auch eine sehr viel bessere Anbindung im ländlichen Raum durch die Reaktivierung von stillgelegten Bahnstrecken, Wiedereröffnung von Haltepunkten oder aber durch den Bau eines komplett neuen Verkehrsmittels wie der Stadtbahn in Kiel. Der Fahrradverkehr muss als echter Baustein der Verkehrswende begriffen werden, zum Beispiel durch einen massiv aufgestockten Fahrradwegbau und abschließbare Fahrradgaragen an allen Bahnhöfen. Das alles wird sehr viel mehr Geld kosten als bislang, rechnet sich aber, wenn den Kosten für Bus, Bahn und Fahrrad die realen Kosten des bisherigen Pendelns, für Zeitverlust, Gesundheits- oder Umweltfolgen gegenübergestellt werden.
Und auch in Zukunft hilft jeder Arbeitsplatz, der zumindest in Teilen von zu Hause aus wahrgenommen werden kann, die Straßen ein Stück weit leerer zu machen. Dafür müssen Kommunen kreativ werden, zum Beispiel durch öffentlich geförderte oder sogar direkt betriebene Coworking-Spaces im ländlichen Bereich.
Warum eigentlich nicht…?
… einen landesweiten Stopp der Tariferhöhungen für nah.sh ab 2020 durchsetzen. Denn Tariferhöhungen sind toxisch für die Verkehrswende. Stattdessen sollte das Land massiv in die Finanzierung einsteigen und das Ziel ausgeben, in fünf Jahren landesweit ÖPNV auf dem Preisniveau eines 365-Euro-Tickets bei Kostenfreiheit für junge Menschen in Bildung und Ausbildung anzukommen.
4. Bestehender und neuer Wohnraum muss bezahlbar sein.
Die Krise unterstreicht auch die prekäre Situation auf dem Wohnungsmarkt: Während Menschen in Kurzarbeit erhebliche Einkommenseinbußen hinnehmen müssen und um ihren Arbeitsplatz bangen, steigen die Mieten in Schleswig-Holstein ungebremst an. Insbesondere Menschen mit geringen und durchschnittlichen Einkommen trifft das hart, weil das knappe Angebot an Wohnraum zu einem Verdrängungseffekt führt.
Daraus folgt: Das Land muss festschreiben, dass die Sozialwohnungsquote ab 2025 nicht weiter sinken soll. Feste Sozialquoten von mindestens 30 Prozent und mit langen Laufzeiten von beispielsweise 80 Jahren müssen in Gebieten mit Wohnraummangel verpflichtend sein. Dafür muss auch die Finanzierung des Sozialwohnungsbau angepasst werden. Neben der Schaffung neuer Wohnungen müssen die Kommunen über ein Sofortprogramm in die Lage versetzt werden, auslaufende Sozialbindungen schnellstmöglich zu verlängern. Auch braucht es ein ambitioniertes Landesprogramm zur Förderung kommunaler Wohnungsbau-Genossenschaften und kommunaler Baugesellschaften für eine Demokratisierung des Wohnungsmarktes. Kommunen sollten freie Flächen nicht nach Höchstgebot, sondern generell mit Blick auf das beste Konzept vergeben.
Es ist ein weiteres Problem, dass älteren und oftmals alleinlebenden Menschen die Wohnungen mit der Zeit zu groß werden, während junge Familien dringenden Bedarf haben. Kommunen sollten darum Anlaufstellen für den Wohnungstausch einrichten. Über ein dauerhaftes Landesprogramm könnte älteren Personen, die zum Tausch bereit sind die Umzugskosten erstattet werden. Bauen ist in den letzten Jahren komplizierter, teurer und langwieriger geworden. Darum muss das Baurecht radikal vereinfacht werden. Statt mit direkten Vorgaben sollte stärker mit Zielen gearbeitet werden. Es ist Zeit grundsätzlich zu werden: Jede Vorschrift in den Bauordnungen muss auf den Prüfstand. Gleichzeitig sollten die Bauämter ihre Vorgänge zukünftig komplett digital abwickeln.
Warum eigentlich nicht…?
… vom höchsten Standard wegkommen. Tiefgaragen, Fahrstühle oder Dachterrassen sorgen dafür, dass neue Wohnung für viele unbezahlbar werden. Dabei sind viele darauf nicht angewiesen. Außerdem können Wohnungen durch typisiertes und serielles Bauen schneller und günstiger geschaffen werden. Diese könnte man dann einmalig durch das Genehmigungsverfahren laufen lassen und fortlaufend bauen.
5. Das beste Rathaus ist das, welches man nicht mehr betreten muss.
Dafür brauchen wir in Zukunft ein digitales Rathaus. Corona hat ohne größere Vorlaufzeit gezeigt, welche Chancen durch die Digitalisierung entstehen können und welche Herausforderungen noch gemeistert werden müssen, um die Digitalisierung in unseren Rathäusern sozialdemokratisch zu gestalten.
In vielen Rathäusern hat das Arbeiten im HomeOffice neue Möglichkeiten geschaffen, flexibler zu arbeiten. Hubertus Heils Vorschlag zum Rechtsanspruch auf HomeOffice kommt zur richtigen Zeit, um sicherzustellen, dass Arbeitnehmer*innen-Rechte nicht auf der Strecke bleiben. Doch nicht nur die Abläufe in den Rathäusern müssen sich verändern, sondern vor allem die Angebote der Kommunen für ihre Bürger*innen. Das beste Rathaus ist das, welches nicht mehr betreten werden muss, weil Behördengänge von zu Hause aus erledigt werden können. Grade junge Menschen, die gewohnt sind, ihre Angelegenheiten von Kontoeröffnung bis Autokauf digital zu regeln, haben zunehmend wenig Verständnis für das Schneckentempo der Behörden-Digitalisierung.
Daraus folgt: Kommunen sollten nicht länger überlegen, welche Vorgänge digital geregelt werden können, sondern stattdessen begründen müssen, warum im Ausnahmefall für Behördenangelegenheiten keine digitale Lösung möglich ist. Das digitale Rathaus, in dem alle Verwaltungsprozesse über Ämter hinweg nahtlos digital bearbeitet werden können, muss zum Standard werden. Und damit alle Bürger*innen davon profitieren, muss der Breitbandausbau weiterhin zügig vorangetrieben werden.
Warum eigentlich nicht…?
… diejenigen Kommunen belohnen, die innovative und nutzerfreundliche digitale Anwendungen und Services als Pioniere entwickeln. Wer vorangeht und anderen Kommunen seine Lösungen als open-source Software zur Verfügung stellt, sollte über den Kommunalen Finanzausgleich oder über direkte Fördergelder belohnt werden.
6. Wir werden uns nicht aus der Krise sparen, sondern müssen gerade jetzt in die Zukunft investieren
Die Corona-Krise kostet uns viele Milliarden Euro. Zu den Hilfs- und Investitionsprogrammen kommen dramatische Rückgänge des Steueraufkommens. Die Kommunen trifft das besonders hart, weil sie ihre eigenen Einnahmen nur begrenzt anpassen können.
Dennoch dürfen wir nicht den Fehler wiederholen, der nach der Finanzkrise 2008 gemacht wurde. Drastische Kürzungen bei den freiwilligen Leistungen (z.B. Kultur und Soziales) schaden den Schwächsten in der Gesellschaft und zerstören gesellschaftlichen Zusammenhalt. Die Erfahrungen im Land zeigen, dass die Jahre der Einschnitte teilweise dramatische Folgen in den Kommunen hatten. Für die eigentliche Haushaltssanierung hatten sie aber im Vergleich zum Einfluss der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung kaum einen Effekt. Zudem ist der Investitionsstau dramatisch angewachsen. Deshalb ist es so wichtig die Investitionsfähigkeit der Kommunen auch bei sinkenden Einnahmen zu erhalten. Raus aus der Krise kommen wir nicht auf Sparkurs!
Daraus folgt: Der kurzfristige Rettungsschirm für die Kommunen war gut. Es braucht aber bereits zu den Haushaltsberatungen in den Kommunen im Herbst eine Perspektive für 2021 und darüber hinaus, damit vielerorts ein drastischer Sparkurs verhindert wird. Eine Schlüsselrolle wird den Kommunalaufsichten zukommen, die auf keinen Fall durch rigide Haushaltsgenehmigungen zu Investitionsbremsern werden dürfen. Noch einmal drängender ist die Frage der kommunalen Altschulden geworden. Der Vorstoß von Olaf Scholz bei dieser Problematik war richtig. Um die Altschulden der Kommunen zu refinanzieren sollten Bund und Länder das günstige Zinsumfeld nutzen und gemeinsam langjährige Anleihen platzieren.
Warum eigentlich nicht…?
… die Krise als Chance nutzen und grade jetzt einen Fonds auf den Weg bringen, der Wagniskapital für neue Unternehmen bereitstellt. Dieser Schleswig-Holstein.Fonds könnte eine Lücke bei dritten oder vierten Finanzierungsrunden schließen, die zu teuer für die klassischen öffentlichen Förderinstrumente sind und den Norden dadurch attraktiv für Start-ups machen. In den Fonds sollten 20 Millionen an öffentlichen Mitteln und bis zu 80 Millionen an privaten Mitteln eingebracht werden können.
7. Ein modernes Schulsystem gibt den Schulen mehr Autonomie mit starken Leitungen und bedient sich zentral organisierter digitaler Lernplattformen und -medien!
Durch die Coronakrise wurden die Schwachstellen des deutschen Schul- und Bildungssystems wie unter einem Brennglas deutlich. So wurden Bildungsungerechtigkeiten weiter verschärft und Kinder aus ärmeren Familien hatten viel schlechtere Lernbedingungen. Zum Beispiel, weil ein eigener Arbeitsplatz, ein Tablet oder Laptop fehlte, aber auch weil ihre Eltern keine Hilfestellung bei der Lernorganisation und beim Lernen selbst leisten konnten. Die mangelnde digitale Infrastruktur war aber auch für Lehrkräfte ein Problem, die z.T. von privaten Mailadressen ihre Schüler*innen kontaktieren mussten, keine Lernsoftware oder Kommunikationsplattformen zur Verfügung hatten. Und selbst wenn diese kurzfristig eingerichtet wurden, fehlten vielen Lehrkräften Kenntnisse oder Erfahrungen. Dies zeigt nicht nur das Problem der Ausstattung, sondern auch der Fort- und Weiterbildung auf. Auf der anderen Seite haben zahlreiche Lehrkräfte durch Eigeninitiative, Engagement und Einsatz all dies selbst auf die Beine gestellt, um ihre Schüler*innen den bestmöglichen Unterricht unter Corona-Bedingungen zu ermöglichen.
Vielerorts wurden die Schulen und Schulträger mit immensen organisatorischen Fragen weitgehend allein gelassen. Zwar ist das Argument, dass einzelne Schulen vor Ort die besten Lösungen finden können, richtig, doch müssen sie dann auch die Instrumente und finanzielle Unabhängigkeit dazu erhalten.
Daraus folgt: Schulen müssen in organisatorischen Fragen mehr Souveränität erhalten! Das bedeutet, dass sie größere eigene Budgets zur Verfügung haben, über Personalentscheidungen eigenständiger entscheiden und Struktur und Organisation des Schulalltages selbst festlegen. Dies kann nur funktionieren, wenn die Schulleitung entsprechend aufgestellt ist, um diese vielfältigen Aufgaben bewältigen zu können. Schon jetzt sind diese mit einer kaum zu bewältigen Menge an Aufgabe überfrachtet, die Stellen somit unattraktiv, viel zu oft vakant und Kommunalpolitiker*innen in den Schulleiterwahlausschüssen mangels Bewerbungen ohne echte Wahlmöglichkeit.
Auf der anderen Seite muss das Land für die digitale Infrastruktur konsequent Verantwortung übernehmen: eine einheitliche, sichere und nutzerfreundliche Kommunikationsplattform für digitales Lernen sollte im Jahr 2020 die absolute Grundlage sein. Darüber hinaus muss das Land Verantwortung für das Bereitstellen von didaktisch-methodisch aufbereiteten digitalen Lernmedien übernehmen. Mit aufbereiteten Materialien ist es auch Lehrkräften, die selbst im Umgang mit digitalen Medien noch Weiterbildungsbedarf haben, möglich, dieses Format in ihren Unterricht zu integrieren.
Warum eigentlich nicht…?
… die Schulen in Schleswig-Holstein zum Musterbeispiel für Autonomie und Eigenverantwortung machen. Damit das funktioniert und Schulleitungsstellen wieder attraktiver werden braucht es künftig eine zusätzliche Stelle an jeder Schule für Finanzen, Controlling und Management, die eng in die Schulleitung eingebunden wird.
… als erstes Bundesland eine eigene Plattform mit methodisch-didaktisch aufbereiteten digitalen Lerneinheiten und -medien an den Start bringen, die allen Schulen und Lehrkräften zur Verfügung steht.