Herr Präsident Sager, die ukrainischen Flüchtlinge kommen nicht wegen der Sozialleistungen, sie fliehen vor Putins Bomben um ihr Leben!
Herr Sager, wir möchten Sie daran erinnern, dass der Kreistag von Ostholstein im März 2022 einstimmig eine Resolution zum Ukraine-Krieg mit den klaren Aussagen verabschiedet hat, dass es für den Kreis selbstverständlich ist, den Bund und das Land S-H bei der Bewältigung der Folgen und bei der Aufnahme der Menschen, die durch die russische Invasion zur Flucht gezwungen werden, engagiert zu unterstützen. Die Aufnahme flüchtender Menschen ist die konkreteste Form der Unterstützung, die der Kreis OH, seine Gemeinden und Städte aktuell leisten können.
Die SPD-Kreistagsfraktion ist entsetzt über die öffentliche Debatte des CDU Vorsitzenden Merz und über die Verwendung des Unwortes des Jahres 2013 Sozialtourismus in Bezug auf ukrainische Flüchtlinge. Nun durften wir den Zeitungen entnehmen, dass auch Präsident Sager den Kriegsflüchtlingen unterstellt, sie kämen zu uns wegen der hohen Sozialleistungen. Sie kommen zu uns, um ihr Leben und das Leben ihrer Kinder vor einem feigen und kaltblütigen Angriffskrieg zu retten, Herr Sager!
Merz nachträgliche Entschuldigung nehmen wir nicht an, seine Unterstellungen waren gezielt und beabsichtigt. Seine Behauptung, die Flüchtlinge würden zwischen Deutschland und der Ukraine hin und her reisen, ist reiner Populismus und ignoriert den Ernst der Lage. Diese Aussage kann er nicht belegen, er tobt sich verbal auf den Rücken ukrainischer Frauen und Kinder aus, die vor Putins Bomben, Raketen und Panzern geflohen sind, deren Häuser nur Schutt und Asche sind, deren Männer in der Heimat geblieben sind, um zu kämpfen. In vielen ukrainischen Städten steht kein Stein mehr auf dem anderen, stattdessen werden täglich neue Massengräber entdeckt. Ist das die Vorstellung des CDU-Vorsitzenden von einer touristischen Reise?
Wer vor dem Krieg in der Ukraine flieht, ist kein Sozialtourist, er flieht nur aus einem Grund: überleben. Daher bitten wir Herrn Präsidenten Sager, sich von seinen Äußerungen, die ukrainischen Flüchtlinge kämen zu uns wegen hoher Sozialleistungen, zu distanzieren.
Merz Behauptungen sind haltlos und nicht zu belegen – genau so wenig wie die Behauptung, dass ukrainische Flüchtlinge ihre Beschäftigung im Tourismus kündigen würden, weil sie mehr Geld vom Staat bekämen.
Sie wollen Menschen, die erst vor sechs Monaten vor einem Krieg geflüchtet sind, schon heute in eine Vollbeschäftigung sehen. Ist das realistisch und fair? Die Realität im Kreis Ostholstein sieht doch wie folgt aus:
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Die meisten Geflüchteten konnten erst im September mit den obligatorischen Sprach- und Integrationskursen beginnen
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Viele besuchen morgens den Deutschkurs und üben abends einen Minijob aus, um in der Gesellschaft anzukommen und wieder etwas Normalität zu finden
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Erst kürzlich wurden in der Ausländerbehörde OH hunderte ID-Karten (Ersatz des ukrainischen Passes) an die Ukrainer*innen verteilt. Anstatt versprochener sechs bis acht Wochen hat es nun sechs Monate gedauert. Bis dahin war den Meisten nicht klar, ob sie überhaupt in Deutschland bleiben dürfen
Es zeigt sich, dass die Geflüchteten lange warten mussten, um einen Deutschkurs zu besuchen. Der Erwerb der Deutschen Sprache ist jedoch die zentrale Voraussetzung für eine Anstellung. Des Weiteren bestehen große Probleme im Kreis, die Kindergartenkinder mit Betreuungsplätzen zu versorgen. Dadurch wird vielen Frauen die Möglichkeit genommen, die Deutschkurse zu besuchen, sich zu integrieren und anschließend einen Job auszuüben.
Die SPD-Kreistagsfraktion wird für den kommenden Sozialausschuss das Thema Ukrainische Flüchtlinge auf die Tagesordnung mit den folgenden Fragen setzen:
- Wie viele Personen wurden bei uns registriert? Wie verteilen sich die soziodemographischen Merkmale dieser Gruppe?
- Wie viele Personen sind inzwischen wieder in die Ukraine zurückgekehrt?
- Wie viele gehen einer Beschäftigung nach?
- Wie viele haben/besuchen Deutschkurse? Wie viele warten auf einen Platz?
- Wie viele Kinder werden betreut? Wie viele warten auf eine Betreuung?
- Wie viele Kinder besuchen eine Grund-, Gemeinschaftsschule/Gymnasium im Kreis OH?
- Wie viele die Berufsschulen?
Abschließend,
wo bleibt die noch vor einigen Monaten viel beschworene Solidarität der CDU mit der Ukraine? Menschen fliehen vor dem furchtbaren Angriffskrieg. Stimmungsmache auf dem Rücken ukrainischer Frauen und Kinder, die vor Putins Bomben und Panzern geflohen sind, ist unangebracht.
Wir sind entsetzt.
Burkhard Klinke, Fraktionsvorsitzender, und Anastasia Brack, SPD Kreistagsabgeordnete