„Der Druck von TenneT auf die Gemeinden und den Kreis ist unnötig und unverschämt“

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Kaum ein Thema hat die Gemüter bei den Mensch im Kreis in den letzten Wochen so erhitzt, wie die Planung der 380-kV Leitung im Kreis Ostholstein. In einem breiten Beteiligungsverfahren vor vier Jahren unter der damaligen Küstenkoalition wurde damals eine Trasse gefunden, die sicherlich nicht perfekt war, aber mit der alle Gemeinden im Kreis irgendwie leben konnten. Seit dieser Zeit hatten wir nicht mehr von TenneT gehört. Das Thema war zwar pro forma jedes Mal auf der Tagesordnung des Wirtschaftsausschusses des Kreises, jedoch immer nur mit dem Hinweis, dass es nichts Neues gibt.

 

Erstens kam es anders…

Umso erstaunter war ich als es im Juni hieß, dass der Netzbetreiber TenneT nicht die vereinbarte Trasse weiter verfolgt, die vor Jahren in einem breiten Dialogverfahren erarbeitet wurde, sondern eine Variante mit als Vorzugsvariante ins Spiel bringt, die vor Jahren debattiert und danach eigentlich vom Tisch war. Als wäre das alles nicht genug, forderte TenneT die betroffenen Kommunen auf, innerhalb von sechs Wochen eine Stellungnahme abzugeben. Das alles mitten in einer Pandemie und der politischen Sommerpause, in der normalerweise keine Sitzungen stattfinden. Dieser Druck von TenneT ist an dieser Stelle nicht nur unverschämt, sondern auch unnötig. Vernünftig wäre es gewesen, wenn man die Trasse schon umplant, ein neues Dialogverfahren mit den Bürgerinnen und Bürgern des Kreises zu eröffnen, um diese mitzunehmen, statt sie vor den Kopf zu stoßen. Aber auch insgesamt ist der Dialog von TenneT mehr als ungenügend. Bei einer Informationsveranstaltung im Kreishaus wurden Kreistagsabgeordnete wieder weggeschickt, die vor der Tür standen. Unter „Bürgerbeteiligung“ versteht TenneT zwei Infostände, einen in Neustadt in Holstein und einen in der Gemeinde Timmendorfer Strand, wo nach derzeitigen Planungen kein einziger Mast stehen wird. Die Landesregierung hat den ganzen Prozess als „Planung im Dialog“ bezeichnet, von diesem Dialog merken wir im Kreis allerdings nichts.

 

Es wurde nicht ein vernünftiger Grund für die Umplanung genannt

 

Am meisten stört mich an der ganzen Sache aber, dass bis heute kein vernünftiger Grund genannt wurde, warum die Trassenführung jetzt doch geändert wurde. TenneT schiebt das auf die Hinterlandanbindung der Fehmarnbeltquerung und ein Bündellungsgebot, was sie dazu zwingt, diese Trasse zusammen mit anderen Bauprojekten wie der Hinterlandanbindung der Fehmarnbeltquerung zusammen zu planen. Das mag alles stimmen, aber diese Punkte sind nicht neu. Das Bündellungsgebot gibt es schon länger und auch die Hinterlandanbindung wird schon seit Jahren geplant, wie wir Ostholsteiner*innen am Besten wissen. Auch das Gutachten der Professoren Jarras und Brackelmann, was der Kreis in Auftrag gegeben hat, wurde komplett ignoriert und in einer Veranstaltung im Kreishaus als “unwissenschaftlich” abgetan, statt sich ernsthaft damit zu befassen. Dabei bietet dieses Gutachten Lösungsansätze, wie man die Leitung unterirdisch verlegen könnte, und zwar entlang der Autobahn und ohne große Eingriffe in die Natur.
Als wäre das alles nicht genug, findet das von uns und dem Land geforderte Erdkabel keinerlei Berücksichtigung, weder rund um Oldenburg, wo es eigentlich zugesagt war, noch sonst irgendwo auf der Trasse. Dabei wäre ein Erdkabel hier durchaus möglich, wie sogar die Landesregierung betont.

 

Aber brauchen wir die Leitung überhaupt?

 

Auch das ist eine wichtige Frage. In der Begründung der Landesregierung klingt das ein bisschen nach „Haben ist besser als Brauchen“, denn der wirkliche Bedarf für diese Trasse ist nicht nachgewiesen. Dabei sollte das doch die grundlegende Frage sein, bevor man so einen großen Eingriff in die Natur und das Leben der Menschen plant. Grade im Bereich der Wasserstoff-Technologie hat sich in den vergangenen Jahren viel getan. Während es bei der ursprünglichen Planung nur darum ging, den Windstrom aus Ostholstein möglichst schnell nach Süddeutschland zu bringen, wäre es heute auch möglich, den Strom hier vernünftig zu speichern. Die Technologie ist da, man muss das nur wollen.
TenneT muss darum endlich die Karten auf den Tisch legen und uns alle erforderlichen Informationen zukommen lassen. Es geht nicht darum, welche Trasse wir persönlich besser finden, sondern es geht darum, dass wir am Ende eine Trasse finden, die objektiv die bessere ist. Der Kreis Ostholstein mit seinen Gemeinden hat sich immer zur Energiewende bekannt, aber wer versucht, diese gegen die Menschen der Region durchzusetzen, wird damit auf die Nase fallen.
Der Kreistag Ostholstein hat in seiner Sitzung am 29.09.2020 deswegen einstimmig eine Resolution verabschiedet, die sich an TenneT, die Landesregierung und die Bundesregierung wendet und fordert, dass:

  • die offenen Fragen in einem Raumordnungsverfahren geklärt werden, um die konfliktärmere Trasse zu bestimmen.
  • der Bedarf einer 380-kV Leitung geprüft wird und die Ergebnisse offen gelegt werden.
  • das Gutachten der Professoren Jarras und Brackelmann ernsthaft mit in die Planung einbezogen wird.
  • der Zeitplan für das Projekt korrigiert wird. Bisher plant TenneT immer noch, die Unterlagen für den Planfeststellungsbeschluss im Sommer 2021 einzureichen. Das ist völlig illusorisch, wenn man den geplanten Dialog ernst meint.
  • zum Dialogprozess zurückzukehren, sollte kein vernünftiges Raumordnungsverfahren mehr durchgeführt werden können

 

Tim Dürbrook